Die rasante Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz (KI) hat eine unaufhaltsame Dynamik entfesselt, die ganze Branchen transformiert. Doch dieser Fortschritt fußt auf einem fundamentalen Dilemma: KI-Modelle lernen, indem sie gigantische Mengen an Daten analysieren – Daten, die oft aus urheberrechtlich geschützten Texten, Bildern und Musikstücken bestehen. Während Tech-Unternehmen Milliardengewinne prognostizieren, stehen die Schöpfer dieser Werke vor einer existenziellen Frage: Wie werden sie für ihren Beitrag zur KI-Revolution fair entlohnt? Die Auseinandersetzung darüber ist längst keine theoretische Debatte mehr, sondern wird vor Gerichten, in Parlamenten und in den Vorstandsetagen von Tech-Giganten geführt.
Von direkten Bonus-Zahlungen durch Konzerne wie Adobe bis hin zu wegweisenden Klagen von Verwertungsgesellschaften wie der GEMA gegen OpenAI – die Suche nach einem gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Urheber und den Bedürfnissen der KI-Entwicklung ist in vollem Gange. Es entfaltet sich ein globales Ringen um die Zukunft des geistigen Eigentums. Dieser Artikel gibt Dir einen umfassenden und detaillierten Überblick über die entscheidenden Vergütungsmodelle, die derzeit die Weichen für die Zukunft stellen, beleuchtet die komplexen rechtlichen Herausforderungen und zeigt, welche Lösungsansätze sich als die fairsten und nachhaltigsten erweisen könnten.
Das musst Du wissen – KI-Vergütung & Urheberrecht im Überblick
- Direkte Vergütungsmodelle wie Pay-per-Use oder Bonuszahlungen, wie sie von Adobe oder Canva praktiziert werden, sind bereits Realität und bieten erste Lösungsansätze.
- Kollektive Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften, insbesondere das Modell des Extended Collective Licensing (ECL), wird in Europa, angeführt von Spanien, als zukunftsweisende und skalierbare Lösung erprobt.
- Eine KI-Abgabe (Levy) auf den Output von KI-Systemen wird als alternativer, systemischer Ansatz intensiv diskutiert, um die Verdrängung menschlicher Kreativität zu kompensieren.
- Der EU AI Act schafft entscheidende Transparenzpflichten für KI-Anbieter, die detaillierte Zusammenfassungen über ihre Trainingsdaten veröffentlichen müssen und damit die Grundlage für Vergütungsansprüche legen.
- Technologiebasierte Ansätze wie die Shapley-Value-Analyse aus der Spieltheorie versprechen eine mathematisch präzise und faire Verteilung von Einnahmen, indem sie den Beitrag jedes einzelnen Werks zum KI-Output messen.
Der Kern des Problems: Warum das Urheberrecht an seine Grenzen stößt
Um zu verstehen, warum die Vergütungsfrage so komplex ist, müssen wir den technischen Prozess des KI-Trainings betrachten. Generative Modelle werden nicht einfach mit Inhalten „gefüllt“; sie lernen durch die Analyse von Mustern, Stilen und Zusammenhängen aus Millionen von Datenpunkten. Dieser Prozess beinhaltet unweigerlich die Vervielfältigung geschützter Werke – ein Vorgang, der nach klassischem Urheberrecht die explizite Erlaubnis des Rechteinhabers erfordert.
Professor Martin Senftleben beschreibt dies als eine potenziell „parasitäre“ Beziehung: KI-Systeme erlangen ihre Fähigkeit, menschliche Kreativität zu imitieren und letztlich zu ersetzen, nur weil sie mit unzähligen menschlichen Schöpfungen trainiert wurden. Ohne einen Ausgleichsmechanismus würden die ursprünglichen Schöpfer, deren Werke die Grundlage für diese Technologie bilden, leer ausgehen, während der Markt für ihre eigene Arbeit durch günstigere und schnellere KI-Alternativen untergraben wird.
Die rechtliche Situation ist dabei international ein Flickenteppich. In den USA wird hitzig über die „Fair Use“-Doktrin gestritten, wobei das US Copyright Office klargestellt hat, dass deren Anwendung auf KI-Training keineswegs automatisch erfolgt. In der EU hingegen versucht man, mit der Urheberrechtsrichtlinie (DSM-Richtlinie) einen Rahmen zu schaffen. Deren Artikel 4 erlaubt das Text und Data Mining (TDM) – die technische Grundlage für KI-Training – zwar grundsätzlich, gibt den Rechteinhabern aber eine entscheidende Waffe an die Hand: die Möglichkeit zum Widerspruch (Opt-Out). Dies führt zu Rechtsunsicherheit und der Gefahr, dass wichtige Trainingsdaten für die europäische KI-Entwicklung blockiert werden.
Direkte Vergütung: Wie Tech-Giganten schon heute zahlen
Angesichts der rechtlichen Risiken haben einige führende Technologieunternehmen begonnen, eigene Vergütungsmodelle zu entwickeln, um Urheber zu entschädigen und sich den Zugang zu hochwertigen Trainingsdaten zu sichern.

Pay-per-Use und Bonus-Systeme: Das Adobe-Modell
Adobe, der Konzern hinter Kreativ-Software wie Photoshop, hat für sein generatives KI-Tool „Firefly“ ein direktes Vergütungssystem implementiert. Künstler, die ihre Bilder, Vektorgrafiken und Illustrationen zur Stock-Plattform von Adobe beitragen, können zustimmen, dass ihre Werke für das Training von Firefly genutzt werden. Als Ausgleich zahlt Adobe einen jährlichen Bonus. Dessen Höhe richtet sich danach, wie viele Lizenzen die Werke des Künstlers in den letzten 12 Monaten generiert haben und wie viele Bilder insgesamt eingereicht wurden. Dieses System koppelt die KI-Vergütung an den Markterfolg und die Nützlichkeit der Inhalte.
Einmalige Lizenzzahlungen: Canvas 200-Millionen-Dollar-Fonds
Die Design-Plattform Canva geht einen ähnlichen, aber pauschaleren Weg. Das Unternehmen hat einen 200-Millionen-Dollar-Fonds eingerichtet, um Kreative zu vergüten, die ihre Inhalte für das KI-Training zur Verfügung stellen. Die Zahlungen basieren auf Faktoren wie der Gesamtmenge der beigesteuerten Inhalte und deren Nutzungshäufigkeit auf der Plattform. Auch Stability AI, Entwickler des Bildgenerators Stable Diffusion, kooperiert mit der Stock-Audio-Firma Audiosparx, um Musikern ein Opt-in-Modell mit Umsatzbeteiligung anzubieten.
Diese direkten Modelle bieten den Vorteil, dass sie schnell umsetzbar sind und Geld direkt bei den Kreativen ankommt. Kritiker bemängeln jedoch, dass sie die Marktmacht großer Plattformen stärken und einzelne Urheber oft nur geringe Verhandlungsspielräume haben.
Kollektive Lösungen: Die Macht der Gemeinschaft nutzen
Da die individuelle Lizenzierung von Millionen von Werken für das KI-Training praktisch unmöglich ist, rücken kollektive Modelle in den Fokus. Hier spielen Verwertungsgesellschaften, die traditionell die Rechte von Musikern, Autoren und Künstlern wahrnehmen, eine zentrale Rolle.
Verwertungsgesellschaften im KI-Zeitalter: Die GEMA geht voran
Die deutsche GEMA hat eine Vorreiterrolle eingenommen, indem sie Musterklagen gegen führende KI-Anbieter wie OpenAI und Suno AI eingereicht hat. Ziel ist es nicht primär, hohe Schadensersatzsummen zu erstreiten, sondern grundlegende Rechtsfragen gerichtlich klären zu lassen. Es geht um die zentrale Frage, ob die unlizenzierte Nutzung von Musikwerken und Songtexten für das KI-Training eine vergütungspflichtige Handlung darstellt. Diese Verfahren könnten wegweisende Präzedenzfälle für ganz Europa schaffen.
Extended Collective Licensing (ECL): Europas vielversprechender Weg?
Ein besonders vielversprechender Ansatz ist die erweiterte kollektive Lizenzierung (ECL). Dieses Modell, das seinen Ursprung in den skandinavischen Ländern hat, erlaubt es einer repräsentativen Verwertungsgesellschaft, Lizenzen nicht nur für ihre Mitglieder, sondern auch für außenstehende Rechteinhaber zu vergeben. Diese haben jedoch das Recht, ihre Werke aus dem Lizenzsystem auszuschließen (Opt-Out).
Spanien hat als erstes europäisches Land einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um ECL explizit für das Training von allgemeinen KI-Modellen einzuführen. Die Idee dahinter ist, eine praktikable Lösung für die massenhafte Rechteklärung zu schaffen, die durch das Opt-Out-System der EU-Urheberrechtsrichtlinie erschwert wird. Auch das Vereinigte Königreich plant die Einführung eines Opt-in-Kollektivlizenzmodells für das dritte Quartal 2025. ECL könnte sich als pragmatischer Mittelweg erweisen, der Rechtssicherheit für KI-Entwickler schafft und gleichzeitig eine breite Vergütung für Urheber sicherstellt.
Systemische Ansätze: Abgaben und innovative Verteilungslogik
Neben der Lizenzierung von Trainingsdaten (Input) werden zunehmend Modelle diskutiert, die am anderen Ende ansetzen: beim Output der KI-Systeme. Diese Ansätze zielen darauf ab, den wirtschaftlichen Verdrängungseffekt, den KI auf menschliche Kreative hat, systemisch auszugleichen.
Die KI-Abgabe: Eine Steuer auf Maschinen-Output?
Ein innovativer Vorschlag, der unter anderem von Martin Senftleben prominent vertreten wird, ist die Einführung einer „KI-Abgabe“ (AI Levy). Statt das Training zu lizenzieren, würde eine Abgabe auf generative KI-Systeme erhoben, deren Output menschliche kreative Arbeit ersetzen kann. Die Einnahmen aus dieser Abgabe würden nicht direkt an einzelne Urheber verteilt, sondern in soziale und kulturelle Fonds fließen, die von Verwertungsgesellschaften verwaltet werden. Dieses Geld könnte dann genutzt werden, um die Arbeits- und Lebensbedingungen von menschlichen Künstlern zu verbessern, Umschulungen zu finanzieren oder neue künstlerische Projekte zu fördern. Dieser Ansatz orientiert sich an der historischen Idee des
domaine public payant, bei dem die Nutzung gemeinfreier Werke eine kleine Abgabe zur Förderung lebender Künstler generiert.
Mathematische Fairness: Der Shapley Value als Lösung
Wie aber lässt sich der Wert eines einzelnen Werks in einem Trainingsdatensatz von Millionen bestimmen? Eine bahnbrechende Antwort kommt aus der kooperativen Spieltheorie: der Shapley Value. Ein in der Fachzeitschrift arXiv veröffentlichter Forschungsansatz schlägt vor, diesen Wert zu nutzen, um die Einnahmen aus KI-generierten Inhalten fair zu verteilen.
Vereinfacht ausgedrückt, misst der Shapley Value den Beitrag jedes einzelnen „Spielers“ (in diesem Fall jedes urheberrechtlich geschützten Werks) zum Gesamterfolg einer Koalition. Mithilfe der Wahrscheinlichkeitsmodelle, die modernen KIs zugrunde liegen, kann berechnet werden, wie stark die Einbeziehung eines bestimmten Werks in den Trainingsdatensatz die Wahrscheinlichkeit erhöht hat, einen bestimmten Output zu generieren. So entsteht eine quantitative und interpretierbare Grundlage für eine proportionale Umsatzbeteiligung. Experimente zeigen, dass dieses System erfolgreich die relevantesten Datenquellen für die Erstellung eines bestimmten KI-Kunstwerks identifizieren kann.
Dezentrale Modelle: Blockchain und Smart Contracts
Eine weitere technologiegetriebene Lösung findet sich im Bereich der dezentralen KI. Plattformen wie SwarmZero.ai experimentieren mit Blockchain-basierten Systemen. Jeder Beitrag zum Ökosystem – sei es die Bereitstellung von Daten, das Training von Modellen oder die Entwicklung von KI-Anwendungen – wird transparent auf der Blockchain erfasst. Die Einnahmen werden dann automatisch über Smart Contracts an alle Beteiligten verteilt. Dies verspricht maximale Transparenz und reduziert den administrativen Aufwand, steht aber technologisch noch am Anfang.
Die Vergütungsmodelle im direkten Vergleich
Um Dir einen schnellen und klaren Überblick über die Vor- und Nachteile der diskutierten Ansätze zu geben, findest Du hier eine zusammenfassende Tabelle:
Vergütungsmodell | Ansatz / Funktionsweise | Vorteile für Urheber & Industrie | Nachteile / Herausforderungen | Beispiele / Status | |
Direkte Vergütung | Unternehmen zahlen Boni oder Lizenzgebühren direkt an Urheber, deren Werke für das Training genutzt werden. | Schnelle, direkte Auszahlungen; Marktbasierte Bewertung der Inhalte; Rechtssicherheit für die nutzenden Unternehmen. | Starke Verhandlungsmacht der Plattformen; Intransparenz bei der Berechnung; Benachteiligt oft kleinere, unabhängige Kreative. | Adobe Firefly Bonus-System; Canvas $200-Mio.-Fonds; Stability AI & Audiosparx Partnerschaft. | |
Kollektive Lizenzierung (ECL) | Verwertungsgesellschaften (z.B. GEMA) vergeben Lizenzen im Namen aller Rechteinhaber (auch Nicht-Mitglieder), die ein Opt-Out-Recht haben. | Skalierbare Lösung für massenhafte Rechteklärung; Faire Verteilung durch etablierte Mechanismen; Stärkt die Position der Urheber gegenüber einzelnen KI-Firmen. | Hoher administrativer Aufwand; Gefahr, dass KI-Firmen in Länder ohne ECL abwandern; Benötigt starke, repräsentative Verwertungsgesellschaften. | In Skandinavien etabliert; Spanien hat einen Gesetzesentwurf für KI-Training vorgelegt; UK plant ein Opt-in-Modell für 2025. | |
KI-Abgabe (AI Levy) | Eine gesetzliche Abgabe wird auf den | Output oder Umsatz von KI-Systemen erhoben, die menschliche Kreativität ersetzen. Die Einnahmen fließen in Kultur- & Sozialfonds. | Gleicht den Verdrängungseffekt der KI aus; Einnahmen sind unabhängig von der Nutzung einzelner Werke im Training; Unterstützt die gesamte Kreativbranche systemisch. | Politisch schwer durchsetzbar; Komplexe Bemessungsgrundlage (Was ist „kreativitätsersetzend“?); Kein direkter Zusammenhang zwischen genutztem Werk und Vergütung. | Bisher ein theoretisches Konzept, das aber intensiv von Juristen und Interessenverbänden diskutiert wird. |
Technologie-basierte Modelle | Algorithmen (z.B. Shapley Value) berechnen den exakten Beitrag jedes einzelnen Werks zum KI-Output. Blockchain sorgt für transparente Abrechnung. | Mathematisch präzise und potenziell sehr faire Verteilung; Hohe Transparenz und Automatisierung möglich; Kann komplexe Interaktionen zwischen Daten abbilden. | Extrem rechenintensiv und teuer; „Black-Box“-Natur vieler KI-Modelle erschwert die Analyse; Benötigt Zugriff auf interne Modelldaten, den Firmen oft als Geschäftsgeheimnis schützen. | Im Forschungsstadium; erste Paper und Proof-of-Concepts (z.B. von Forschern der Princeton University) zeigen die Machbarkeit. |
Was Du als Kreativer jetzt tun kannst: Praktische Handlungsempfehlungen
Angesichts der dynamischen und oft unübersichtlichen Lage kannst Du als Urheber oder Kreativschaffender bereits heute aktiv werden, um Deine Rechte zu schützen und Dich für die Zukunft zu positionieren.
- Prüfe und kennzeichne Deine Werke: Wenn Du Deine Werke online veröffentlichst, nutze die verfügbaren technischen Möglichkeiten. Setze maschinenlesbare Rechtevorbehalte (z.B. über Metadaten oder in
robots.txt
-Dateien), um einem TDM und KI-Training zu widersprechen. Dies ist die Grundlage, um vom Opt-Out-Recht der EU-Richtlinie Gebrauch zu machen. - Verstehe die Plattform-Bedingungen: Wenn Du auf Stock-Plattformen oder in sozialen Netzwerken aktiv bist, lies die Nutzungsbedingungen genau durch. Immer mehr Plattformen integrieren Klauseln, die ihnen die Nutzung Deiner Inhalte für KI-Training gestatten. Entscheide bewusst, ob Du diesen Bedingungen zustimmen möchtest.
- Organisiere Dich in Verwertungsgesellschaften: Eine Mitgliedschaft bei Organisationen wie der GEMA (für Musiker), der VG Bild-Kunst oder der VG Wort (für Autoren) ist wichtiger denn je. Diese Bündelungen von Interessen haben die nötige Marktmacht, um rechtliche Grundsatzfragen zu klären und kollektive Lizenzmodelle wie ECL zu verhandeln.
- Nutze Open-Content-Lizenzen bewusst: Wenn Du Deine Werke unter Lizenzen wie Creative Commons (CC) veröffentlichst, sei Dir der Implikationen bewusst. Je nach Lizenzmodell (z.B. CC BY) gestattest Du möglicherweise auch die Nutzung für kommerzielles KI-Training. Wähle die Lizenz, die Deinen Absichten entspricht.
- Bleibe informiert und fordere Transparenz: Die rechtliche Landschaft verändert sich rasant. Verfolge die Entwicklungen rund um den EU AI Act und die laufenden Gerichtsverfahren. Unterstütze Initiativen, die von KI-Anbietern maximale Transparenz bezüglich ihrer Trainingsdaten fordern. Denn nur was bekannt ist, kann lizenziert und vergütet werden.
Rechtliche Fallstricke und offene Zukunftsfragen: Die ungelösten Herausforderungen
Während die vorgestellten Vergütungsmodelle vielversprechende Wege in die Zukunft weisen, ist der Weg dorthin mit erheblichen rechtlichen und praktischen Hindernissen gepflastert. Die Diskussion wäre unvollständig, ohne diese ungelösten Herausforderungen zu beleuchten, die derzeit die internationale Debatte prägen und über Erfolg oder Misserfolg der Lösungsansätze entscheiden werden.
Die Tücken des Opt-Outs: Ein zahnloser Tiger in der EU?
Auf dem Papier scheint die EU-Urheberrechtsrichtlinie mit ihrer Opt-Out-Möglichkeit für Text und Data Mining (TDM) den Urhebern die Kontrolle zurückzugeben. In der Praxis erweist sich dieser Mechanismus jedoch als hochproblematisch. Die größte Sorge ist, dass ein breit genutzter Rechtevorbehalt nicht zwangsläufig zu Lizenzverträgen und Vergütungen führt. Stattdessen könnte die Tech-Industrie entscheiden, ihre rechenintensiven KI-Trainingsaktivitäten einfach in Rechtsräume mit innovationsfreundlicheren Regelungen zu verlagern, wie beispielsweise Japan oder die USA.
Das Ergebnis wäre ein unglückliches „Lose-lose“-Szenario: EU-Urheber würden keinerlei Vergütung erhalten, da ihre Daten nicht mehr für Trainings in der EU genutzt werden, und gleichzeitig würde der KI-Standort Europa durch den erschwerten Datenzugang im globalen Wettbewerb zurückfallen. Hinzu kommt, dass die europäische Infrastruktur zur Rechteklärung stark fragmentiert ist. Selbst wenn KI-Anbieter bereit wären zu zahlen, ist der Aufbau effizienter, europaweiter und maschinenlesbarer Lizenzierungsprotokolle eine Herkulesaufgabe, die den gesamten Prozess lähmen könnte.
Wer haftet, wenn die KI kopiert? Die komplexe Frage der Verantwortung
Eine der drängendsten Fragen, die sowohl Entwickler als auch Nutzer von KI-Systemen beschäftigt, ist die der Haftung. Was passiert, wenn der Output eines KI-Modells – sei es ein Bild, ein Text oder eine Melodie – die Urheberrechte eines bestehenden Werks verletzt? Die Verantwortung könnte bei verschiedenen Akteuren liegen, und die Klärung dieser Frage ist entscheidend für die Rechtssicherheit aller Beteiligten:
- Der Entwickler der KI: Er könnte haftbar gemacht werden, wenn die KI aufgrund ihrer Programmierung oder der Auswahl der Trainingsdaten systematisch Urheberrechtsverletzungen produziert.
- Der Betreiber/Anbieter der KI-Dienste: Die Plattform, die den KI-Dienst der Öffentlichkeit zugänglich macht, trägt ebenfalls ein erhebliches Risiko, insbesondere im Rahmen der Anbieterhaftung.
- Der Nutzer der KI: Auch Du als Nutzer könntest in die Verantwortung gezogen werden, insbesondere wenn Du die KI durch einen gezielten Prompt dazu veranlasst hast, einen rechtsverletzenden Inhalt zu generieren.
Die aktuelle Rechtslage bietet hier keine einfachen Antworten. Die Zuweisung der Verantwortung wird stark von den Umständen des Einzelfalls und der nationalen Gesetzgebung abhängen. Während der EU AI Act und der Digital Services Act versuchen, hier mehr Klarheit zu schaffen, bleiben viele Detailfragen vorerst offen und werden die Gerichte in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen.
Mehr als nur Daten: Der unersetzliche Wert menschlicher Kunst
Die vielleicht wichtigste Dimension in der gesamten Debatte geht über rein rechtliche und ökonomische Fragen hinaus. Menschliche Kunst ist mehr als nur ein weiterer Datensatz für den Algorithmus. Sie erfüllt zentrale gesellschaftliche Funktionen, die eine KI, so ausgeklügelt sie auch sein mag, nicht replizieren kann. Eine faire Vergütung ist daher nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern eine Investition in den Erhalt dieser einzigartigen menschlichen Fähigkeiten.
- Kunst als kritischer Spiegel der Gesellschaft: Menschliche Künstler schaffen Werke, die gesellschaftliche Zustände reflektieren, kritisieren und Visionen für eine bessere Zukunft entwerfen. Eine KI kann zwar Stile imitieren, aber sie kann die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen nicht durchdringen, da sie diese nicht als Mensch erlebt oder erleidet. Ihr fehlt die Fähigkeit, aus gelebter Erfahrung heraus kritische Impulse für sozialen Wandel zu geben.
- Der Motor der Avantgarde: Echte Innovation in der Kunst entsteht oft durch Regelbruch und die Schaffung völlig neuer ästhetischer Kategorien. KI-Systeme sind jedoch inhärent an die Daten gebunden, mit denen sie trainiert wurden. Sie können zwar endlos bekannte Formen und Stile rekombinieren, doch es fällt ihnen schwer, den bestehenden Erwartungshorizont radikal zu durchbrechen und etwas wirklich Unerwartetes zu schaffen. Die Förderung menschlicher Künstler ist somit eine Investition in zukünftige Avantgarde-Bewegungen.
- Ästhetisches Spiel und Selbstverwirklichung: Der kreative Prozess selbst – das Experimentieren, das Kombinieren, das Schaffen – ist eine zutiefst menschliche Aktivität, die zur Freude, zur moralischen und politischen Bildung und zur Selbstverwirklichung des Einzelnen beiträgt. Wenn dieser kreative Akt primär an Maschinen delegiert wird, verliert die Gesellschaft nicht nur Kunstwerke, sondern auch wichtige Vorbilder, die andere Menschen zur eigenen ästhetischen Praxis inspirieren.
- Ein Eigennutz für die KI-Industrie: Letztlich ist die Förderung menschlicher Kreativität sogar im ureigenen Interesse der KI-Branche selbst. Um zu verhindern, dass KI-Modelle in einer Endlosschleife der Rekombination des bereits Bekannten gefangen bleiben, benötigen sie einen ständigen Zufluss an frischem, neuem und innovativem menschlichen Trainingsmaterial. Ohne neue menschliche Impulse droht die KI-generierte Kunst, in einer „monochromen Variation bekannter Formen und Stile“ zu erstarren. Eine Investition in lebende Künstler ist somit eine direkte Investition in die Zukunftsfähigkeit und Diversität der KI-Modelle von morgen.
Fazit: Auf dem Weg zu einem fairen KI-Ökosystem
Die Debatte um eine faire KI-Vergütung für Urheber befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt. Es zeichnet sich ab, dass es nicht die eine, perfekte Lösung geben wird, sondern vielmehr ein hybrides System aus verschiedenen Ansätzen. Während direkte Vergütungsmodelle von Unternehmen wie Adobe und Canva kurzfristig für Rechtssicherheit sorgen, bieten kollektive Lizenzierungsmodelle wie ECL eine skalierbare und europaweit harmonisierbare Perspektive.
Gleichzeitig gewinnen systemische Ansätze wie die KI-Abgabe an Bedeutung, da sie nicht nur die Nutzung von Trainingsdaten, sondern den gesamtgesellschaftlichen Verdrängungseffekt der KI in den Blick nehmen. Technologische Innovationen wie die Shapley-Value-Analyse versprechen zudem eine bisher ungekannte Fairness und Transparenz bei der Verteilung der Einnahmen.
Die entscheidende Grundlage für all diese Modelle schafft der Gesetzgeber. Insbesondere die Transparenzpflichten des EU AI Act sind ein Meilenstein, da sie KI-Anbieter zwingen, offenzulegen, womit ihre Modelle trainiert wurden. Nur auf dieser Basis können Urheber und ihre Verwertungsgesellschaften überhaupt Ansprüche geltend machen. Die Zukunft liegt in einem intelligenten Zusammenspiel aus klaren rechtlichen Rahmenbedingungen, starken kollektiven Organisationen und innovativer Technologie. Nur so kann sichergestellt werden, dass die KI-Revolution nicht auf Kosten der Kreativen stattfindet, sondern eine nachhaltige Symbiose entsteht, in der technischer Fortschritt und menschliche Schöpfungskraft sich gegenseitig beflügeln.
www.KINEWS24-academy.de – KI. Direkt. Verständlich. Anwendbar.
Quellen
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- Kanzlei Kramarz. „Urteil des LG Hamburg: KI-Training und Urheberrecht – Ein wegweisender Entscheid“. kanzlei-kramarz.de, 14. Februar 2025, https://kanzlei-kramarz.de/urteil-des-lg-hamburg-ki-training-und-urheberrecht-ein-wegweisender-entscheid/.
- Nobre, Teresa. „A first look at the Spanish proposal to introduce ECL for AI training“. Communia Association, 10. Dezember 2024, https://communia-association.org/2024/12/10/a-first-look-at-the-spanish-proposal-to-introduce-ecl-for-ai-training/.
- Senftleben, Martin. „Generative AI and Author Remuneration“. IIC – International Review of Intellectual Property and Competition Law, vol. 54, 2023, S. 1535–1560, https://link.springer.com/article/10.1007/s40319-023-01399-4.
- SwarmZero.ai. „A detailed blog on revenue sharing mechanism in decentralized AI.“. swarmzero.ai, 4. September 2024, https://swarmzero.ai/blog/revenue-sharing-in-decentralized-ai.
- Wang, Jiachen T., et al. „An Economic Solution to Copyright Challenges of Generative AI“. arXiv, 2024, https://arxiv.org/abs/2404.13964v4.
- Welling, Oliver. „Urheberrecht KI-Training 2025: Dein Guide zur Rechtslage – Was Du wissen musst!“. KINEWS24, 17. Mai 2025, https://kinews24.de/urheberrecht-ki-training-2025-tdm-lizenzierung/.
- Zhang, Dong. „Should ChatGPT and Bard Share Revenue with Their Data Providers? A New Business Model for the AI Era“. arXiv, 2023, https://arxiv.org/abs/2305.02555.
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