Thierry Breton, Frankreichs europäischer Kommissar und einer der prominentesten Befürworter der digitalen Souveränität in der EU, hat seinen sofortigen Rücktritt bekannt gegeben. Dies geschah am 16. September 2024 in einem dramatischen Zug, begleitet von Anschuldigungen gegen die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, wegen „fragwürdiger Regierungsführung“. Breton, der in der Europäischen Kommission für den Binnenmarkt und die industrielle Politik zuständig war, war ursprünglich für eine zweite Amtszeit nominiert worden, jedoch entwickelte sich die Situation zu einem politischen Eklat. Dieser Artikel beleuchtet die Ereignisse rund um seinen Rücktritt, die Hintergründe und die Implikationen für die EU.
Das musst du wissen – Rücktritt von Thierry Breton: Ein politisches Drama in der Europäischen Kommission
- Thierry Breton, französischer EU-Kommissar für Binnenmarkt und industrielle Politik, hat am 16. September 2024 überraschend seinen sofortigen Rücktritt bekannt gegeben.
- Breton erhebt schwere Vorwürfe gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wegen „fragwürdiger Regierungsführung“ und einem politischen Handel um seine Nominierung für eine zweite Amtszeit.
- Der Rücktritt folgt auf eine Reihe von Konflikten zwischen Breton und von der Leyen, insbesondere im Hinblick auf die Ernennung von Schlüsselpersonen und die Stärkung der europäischen Führung im digitalen und technologischen Sektor.
- Frankreich hat bereits einen neuen Kandidaten für die EU-Kommission vorgeschlagen: Stéphane Séjourné, einen engen Verbündeten von Präsident Emmanuel Macron, der eine Rolle in der Industrie- und Wettbewerbspolitik übernehmen soll.
- Bretons Rücktritt wirft Fragen zu von der Leyens Führungsstil auf und könnte die Dynamik innerhalb der Europäischen Kommission sowie das Gleichgewicht der Macht zwischen den Mitgliedstaaten beeinflussen.
Die Umstände des Rücktritts
In seinem auf der Social-Media-Plattform X veröffentlichten Rücktrittsschreiben erklärte Breton, dass von der Leyen Frankreich dazu aufgefordert habe, seinen Namen in den letzten Verhandlungen über die Zusammensetzung des zukünftigen Kommissionskollegiums zurückzuziehen. Dies sei ohne direkte Kommunikation mit ihm geschehen, und von der Leyen habe angeblich einen politischen Handel angeboten, um Frankreich in Zukunft ein „einflussreicheres Portfolio“ in der Kommission zu sichern. Breton bezeichnete diese Entwicklungen als „weiteres Zeugnis fragwürdiger Regierungsführung“ und stellte klar, dass er unter diesen Bedingungen nicht länger in der Lage sei, seine Pflichten als Kommissar auszuüben.
Ein politisches Machtspiel
Der Rücktritt von Thierry Breton folgt auf eine Reihe von Konflikten und Meinungsverschiedenheiten mit Ursula von der Leyen, die seit ihrem Amtsantritt immer wieder für ihre Entscheidungsfindung und ihren Führungsstil kritisiert wurde. So äußerte Breton mehrfach öffentlich Kritik an von der Leyens Vorgehen, insbesondere bei der Ernennung von Schlüsselpersonen in der Kommission und ihrer Fähigkeit, die europäische Führung im digitalen und technologischen Sektor zu stärken.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte Breton im Juni 2024 für eine zweite Amtszeit als EU-Kommissar vorgeschlagen, und er sollte ursprünglich eine bedeutende Rolle im zukünftigen Kollegium der Kommission einnehmen. Diese Pläne wurden jedoch durch von der Leyens Vorgehen durchkreuzt, was zu einer politischen Auseinandersetzung zwischen Paris und Brüssel führte.
Reaktionen auf den Rücktritt
Der Rücktritt Bretons hat in Brüssel und darüber hinaus für Aufsehen gesorgt. Die Europäische Kommission selbst vermied es, auf die Anschuldigungen der „fragwürdigen Regierungsführung“ direkt einzugehen. Ein Sprecher der Kommission erklärte lediglich, dass Präsidentin von der Leyen Bretons Rücktritt zur Kenntnis genommen und ihm für seine Arbeit während seines Mandats gedankt habe, wobei sie auf seine Beiträge zur Entwicklung der EU-Gesetzgebung im digitalen Bereich verwies.
In Frankreich gab es ebenfalls gemischte Reaktionen. Während das Élysée in einer Erklärung betonte, dass Breton als europäischer Kommissar „bemerkenswerte“ Arbeit geleistet habe, insbesondere im Bereich der digitalen Souveränität und der Stärkung des europäischen Binnenmarktes, wurde hinter den Kulissen deutlich, dass Breton möglicherweise nicht den vollen Rückhalt der französischen Regierung hatte. Ein EU-Diplomat bemerkte, dass er „in Paris nicht so beliebt war, wie er dachte“.
Auswirkungen auf die EU-Kommission und die französische Politik
Bretons Rücktritt kommt zu einem kritischen Zeitpunkt, da von der Leyen kurz davor steht, die Details ihrer neuen Kommission bekannt zu geben, die eine fünfjährige Amtszeit umfasst. Die 27 EU-Kommissare, je einer aus jedem Mitgliedstaat, sind gemeinsam für die Durchsetzung des EU-Rechts in verschiedenen Bereichen wie Umwelt, Klimaschutz, Industrie- und Wirtschaftspolitik, Außenpolitik, Migration, Landwirtschaft und Fischerei verantwortlich.
Frankreich hat bereits seinen neuen Kandidaten vorgeschlagen: Stéphane Séjourné, ein enger Verbündeter Macrons und ehemaliger Leiter der zentristischen Fraktion im Europäischen Parlament. Séjourné soll eine Rolle in der Industrie- und Wettbewerbspolitik der EU übernehmen. Dies zeigt, dass Frankreich trotz der politischen Turbulenzen weiterhin bestrebt ist, eine einflussreiche Position innerhalb der EU zu behalten.
Eine tiefere Analyse: Bretons Beitrag und Konflikte in der EU
Thierry Breton war bekannt für seine harte Linie gegenüber großen Technologieunternehmen, insbesondere US-amerikanischen Giganten wie Meta und X (ehemals Twitter). Er spielte eine zentrale Rolle bei der Ausarbeitung des Digital Services Act (DSA) und des Digital Markets Act (DMA), die darauf abzielen, die schädlichen Auswirkungen des Internets einzudämmen und eine fairere Wettbewerbslandschaft in Europa zu schaffen. Seine Rolle als „digitaler Vollstrecker“ führte jedoch auch zu Spannungen, vor allem mit dem CEO von X, Elon Musk, über Fragen der Meinungsfreiheit und der Regulierung von Inhalten.
Breton hatte sich zudem für eine stärkere europäische Autonomie in der Verteidigungs- und Raumfahrtindustrie eingesetzt und war maßgeblich an den Bemühungen beteiligt, die EU-Produktion von Munition im Zuge des Ukraine-Krieges zu steigern. Allerdings wurden seine Versprechen in diesem Bereich oft als übertrieben angesehen, und Berichte deuteten darauf hin, dass die tatsächliche Produktionskapazität weit hinter den Erwartungen zurückblieb.
Ein weiterer Konfliktpunkt war Bretons Widerstand gegen die Ernennung der US-Wettbewerbsexpertin Fiona Scott Morton zur obersten Wettbewerbshüterin der EU. Breton führte die französische Kampagne an, die Scott Mortons Ernennung erfolgreich verhinderte, was zu weiteren Spannungen mit von der Leyen führte.
Die Zukunft der Europäischen Kommission unter Ursula von der Leyen
Von der Leyens Führung ist seit langem Gegenstand von Kritik, insbesondere wegen ihrer als distanziert empfundenen Art, mangelnder Transparenz und der unzureichenden Einbeziehung von hochrangigen Kollegen in Entscheidungsprozesse der EU. Unterstützer verweisen jedoch auf ihre Erfolge, wie die Schaffung eines Post-Covid-Wiederaufbaufonds und ihre entschlossene Unterstützung für die Ukraine. Bretons Rücktritt und die damit verbundenen Vorwürfe könnten jedoch weitere Fragen zu ihrem Führungsstil aufwerfen und ihre Pläne für eine geschlechtergerechtere und ausgewogenere Kommission erschweren.
Der Rücktritt Bretons könnte als Zeichen dafür gewertet werden, dass sich von der Leyen und ihre Unterstützer in einer starken Position befinden. Ein EU-Diplomat kommentierte: „Es zeigt ihre Stärke, den ‚mächtigen‘ Breton zu stürzen.“ Gleichzeitig stellt dieser Vorfall jedoch auch die Frage, wie die Balance der Macht innerhalb der Kommission und zwischen den Mitgliedstaaten künftig gestaltet wird.
Schlussfolgerung
Thierry Bretons Rücktritt als europäischer Kommissar ist ein bedeutendes politisches Ereignis, das weitreichende Konsequenzen für die Europäische Kommission und die EU insgesamt haben könnte. Seine scharfe Kritik an Ursula von der Leyens Führungsstil und die Entscheidung, seinen Posten aufzugeben, werfen ein Licht auf die inneren Spannungen und Herausforderungen, mit denen die EU-Führung konfrontiert ist. In den kommenden Wochen und Monaten wird es entscheidend sein, wie von der Leyen und ihre neuen Kommissare diese Herausforderungen angehen und ob sie in der Lage sein werden, eine kohärente und effektive Strategie zur Bewältigung der dringenden Fragen Europas zu entwickeln.
Quellen und weiterführende Links
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