Die Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) gewinnt weltweit in Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Doch gerade in den Führungsebenen, insbesondere in den Aufsichtsräten, zeigt sich in Deutschland eine beunruhigende Lücke: Die Expertise im Bereich der KI ist erstaunlich gering, wie eine neue Umfrage belegt. Dies gilt selbst für große börsennotierte Konzerne, wie eine Analyse der DAX-Unternehmen zeigt. Experten fordern ein Umdenken und plädieren für eine rasche Anpassung an diese technologische Entwicklung.
KI-Kompetenz in Aufsichtsräten: Wo steht Deutschland?
Eine Umfrage der Personalberatung Kienbaum offenbarte, dass lediglich fünf Prozent der Vorstände ihren Aufsichtsräten ausreichende KI-Kompetenz zusprechen. Die Aufsichtsräte selbst schätzen ihre Fähigkeiten etwas optimistischer ein, jedoch liegt der Anteil der Gremien, die sich für kompetent in KI-Fragen halten, nur bei 27 Prozent. Diese Zahlen deuten auf ein erhebliches Kompetenzdefizit hin, das die Fähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen könnte, im globalen Wettbewerb mitzuhalten.
Besonders kritisch ist dies, da KI nicht nur ein technisches Nischenthema ist. Es betrifft sämtliche Geschäftsbereiche, von der Produktentwicklung bis hin zur strategischen Ausrichtung. Die Frage stellt sich also: Wie sollen Aufsichtsräte auf Augenhöhe mit den Vorständen über KI diskutieren, wenn ihnen grundlegendes Wissen fehlt?
Warum ist KI-Kompetenz in Aufsichtsräten so wichtig?
Die Rolle von Aufsichtsräten besteht darin, die Unternehmensführung zu kontrollieren und strategisch zu beraten. Doch ohne technologische Expertise, insbesondere im Bereich der KI, wird diese Aufgabe erheblich erschwert. Sascha Gerland von Board Xperts beschreibt es als einen „Dornröschenschlaf“, in dem viele Unternehmen bezüglich KI noch verharren. Dies birgt das Risiko, dass die Unternehmen entscheidende Entwicklungen verpassen.
Für Unternehmen wird es daher zunehmend entscheidend, dass die Aufsichtsräte in der Lage sind, KI als Teil der Unternehmensstrategie zu begreifen. Dies bedeutet nicht nur, die Technologie zu verstehen, sondern auch deren Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und zukünftige Geschäftsmodelle richtig einzuschätzen.
Die Notwendigkeit einer strukturellen Revolution
Die bisherigen Strukturen in den Aufsichtsräten tragen laut Experten dazu bei, dass die Einführung von KI-Kompetenz nicht vorankommt. Sebastian Pacher, Partner bei Kienbaum, fordert deshalb ein Umdenken: Traditionelle Machtstrukturen, in denen wenige Personen dominieren, seien hinderlich. Es brauche mehr Offenheit und Raum für Experten, um KI-relevante Themen in den Gremien effektiv zu diskutieren. Vorschläge wie die Gründung von Innovationskomitees oder Strategieausschüssen, die sich gezielt mit der Implementierung und dem Einfluss von KI beschäftigen, werden laut Daniela Mattheus, Multiaufsichtsrätin (u.a. Commerzbank, Deutsche Bahn), zunehmend wichtiger.
Weiterbildungen als Schlüssel zur Lösung
Katharina Zweig, Informatik-Professorin an der RPTU Kaiserslautern, betont die Notwendigkeit von Weiterbildungen und regelmäßigen Expertengesprächen. Die Kompetenzlücke in den Aufsichtsräten sei kein unlösbares Problem. Es müsse jedoch aktiv angegangen werden, indem die Gremien sowohl durch interne Schulungen als auch durch den Input externer Fachleute unterstützt werden. Gerade bei komplexen Technologien wie der KI ist es unerlässlich, dass sich Aufsichtsräte zumindest grundlegendes Wissen aneignen, um kritische Fragen stellen und die Entscheidungen der Geschäftsführung bewerten zu können.
Diese Haltung wird auch von Hendrik Schmidt, Corporate Governance Experte bei der DWS, geteilt. Für ihn ist es eine Grunderwartung, dass Aufsichtsräte ihre Kenntnisse kontinuierlich erweitern, um den Herausforderungen der Digitalisierung und des KI-Zeitalters gerecht zu werden.
Ein Blick in die Zukunft: KI als Top-Priorität
Obwohl derzeit noch ein großer Nachholbedarf besteht, gibt es positive Anzeichen: KI rangiert bereits unter den Top 3 der wichtigsten Themen in vielen Unternehmen, wie Schmidt betont. Dennoch bleibt die Herausforderung, qualifizierte Experten zu finden, die nicht nur technisches Wissen, sondern auch unternehmerisches Denken vereinen.
Für die Investoren wird es immer wichtiger, dass die KI-Kompetenz in den Aufsichtsräten glaubhaft nachgewiesen werden kann. Ein einfaches „Häkchen“ in einer Qualifikationsmatrix reicht dabei nicht aus. Es geht darum, dass die Gremien tatsächlich in der Lage sind, den verantwortungsvollen Umgang mit KI sicherzustellen und die Technologie sinnvoll in die Unternehmensstrategie zu integrieren.
Fazit: Ein dringender Handlungsbedarf
Der Wandel hin zu mehr KI-Kompetenz in Aufsichtsräten ist unausweichlich. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Führungsgremien nicht nur die richtigen Fragen stellen, sondern auch in der Lage sind, technologische Entwicklungen wie KI zu verstehen und zu nutzen. Dabei ist es entscheidend, die traditionellen Strukturen aufzubrechen und Raum für Expertise und Innovation zu schaffen. Externe Experten, regelmäßige Weiterbildungen und der Aufbau von Fachkomitees sind dabei wichtige Schritte, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden.
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