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Compute North vs. Compute South: Die neue Weltordnung der KI-Governance durch Compute-Infrastruktur

Von Oliver Welling
Compute North vs. Compute South

Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz sind Daten, Algorithmen und Rechenleistung die treibenden Kräfte hinter den technologischen Fortschritten. Doch während Daten und Algorithmen oft im Mittelpunkt der Diskussionen stehen, rückt nun ein anderer Faktor in den Vordergrund: Compute-Infrastrukturen. Diese physischen Anlagen, oft ausgestattet mit fortschrittlichen Grafikprozessoren (GPUs) und KI-Beschleunigern, werden zunehmend als geopolitische Werkzeuge betrachtet. Eine neue globale Ordnung formt sich, geteilt durch die Verfügbarkeit und Kontrolle über solche Infrastrukturen. Die Begriffe „Compute North“, „Compute South“ und „Compute Desert“ verdeutlichen die wachsenden Ungleichheiten und potenziellen Machtverschiebungen im Bereich der KI. Was bedeutet das für die Zukunft der globalen Politik und die Kontrolle über KI-Entwicklungen?

Das musst Du wissen – Compute North vs. Compute South

  • Compute-Governance als Machtinstrument: Compute-Infrastrukturen werden als strategische Ressourcen betrachtet, die es Staaten ermöglichen, KI-Regeln durchzusetzen.
  • Ungleichheiten in der Compute-Verteilung: Die Welt teilt sich in drei Zonen auf: Compute North (fortschrittliche Entwicklung), Compute South (Implementierung), und Compute Desert (kein Compute).
  • USA vs. China: Durch strikte Exportkontrollen und strategische Allianzen sichern sich die USA die Vormachtstellung in der KI-Compute-Hierarchie.
  • Kritische geopolitische Folgen: Länder ohne Compute-Infrastruktur haben wenig Einfluss auf die globale KI-Governance und werden zunehmend technologisch abgehängt.
  • Zukunft der Compute-Governance: Neue Investitionen in nationale und regionale Compute-Kapazitäten könnten die Machtverhältnisse langfristig verändern.

Die Kartografie der globalen Compute-Macht

Die Welt ist in einem neuen Machtkampf verstrickt, der nicht mehr nur auf Bodenschätze, Währungen oder militärische Stärke setzt, sondern auf die Kontrolle über digitale Infrastrukturen, insbesondere KI-Compute. Der Bericht von Lehdonvirta, Wu und Hawkins zeichnet erstmals eine Karte der globalen Verteilung von Public-Cloud-GPU-Compute und beschreibt eine Welt, in der sich die geopolitische Macht durch den Zugang zu und die Kontrolle über Rechenressourcen neu formiert. Länder des „Compute North“ wie die USA, Großbritannien und einige Staaten der Europäischen Union verfügen über die modernsten GPU-Infrastrukturen, die für das Training hochentwickelter KI-Modelle erforderlich sind. Diese Länder sind in der Lage, KI-Regelungen zu diktieren und zu steuern, indem sie Kontrolle über die physische Infrastruktur innerhalb ihrer Grenzen ausüben. Durch diese territoriale Kontrolle können sie spezifische Sicherheits- und Datenschutzstandards erzwingen und ihre Vorstellungen von KI-Ethik und -Verantwortung durchsetzen.

USA: Die unbestrittene Compute-Supermacht

Die Vereinigten Staaten dominieren die Karte des „Compute North“. Diese Vormachtstellung ergibt sich nicht nur aus ihrer Technologie- und Marktführerschaft, sondern auch aus gezielten politischen Maßnahmen wie dem CHIPS Act und Exportkontrollen, die den Zugang Chinas zu fortschrittlichen GPUs wie den Nvidia A100 und H100 einschränken. Diese Chips sind entscheidend für das Training der neuesten KI-Modelle, und ihre strategische Zurückhaltung hat weitreichende Implikationen für Chinas KI-Entwicklung. Die USA haben zudem erfolgreiche „Compute-Partnerschaften“ mit führenden KI-Firmen wie OpenAI, Google DeepMind und Anthropic geschlossen, was ihnen einen weiteren Vorsprung im Bereich KI-Governance verschafft. Indem sie ihre Compute-Kapazitäten geografisch konzentrieren, maximieren sie den Nutzen und minimieren die Verbreitung neuer Technologien an potenzielle Rivalen.

China: Aufholen durch Masse statt Klasse?

Chinas KI-Infrastruktur basiert überwiegend auf älteren GPUs wie der Nvidia V100, die für viele moderne KI-Anwendungen mittlerweile als veraltet gelten. Zwar konnte China vor den US-Exportkontrollen einige A100-GPUs importieren, doch der Zugang zu den noch leistungsstärkeren H100-GPUs wurde nie gewährt. Chinesische Cloud-Anbieter wie Alibaba Cloud und Tencent Cloud setzen daher vermehrt auf groß angelegte private Compute-Cluster, um ihre KI-Entwicklung voranzutreiben. Dies ist eine Notlösung, um die quantitativen Einschränkungen durch eine Konzentration auf ältere Technologien zu kompensieren. Dennoch bleibt die Leistungslücke bestehen, was Chinas Möglichkeiten zur Entwicklung von Spitzen-KI erheblich einschränkt. Ein solcher strategischer Rückstand könnte langfristig die Position Chinas als globale KI-Supermacht gefährden.

Compute South: Die Herausforderung der Implementierung

Die „Compute South“-Länder, wie Brasilien, Indien und einige südostasiatische Nationen, sind in einer anderen Position. Ihre Infrastrukturen eignen sich hauptsächlich für die Implementierung und den Betrieb von KI-Anwendungen, nicht jedoch für deren Entwicklung. Ihre Abhängigkeit von älteren GPUs wie der V100, die für das Training von KI-Modellen zu langsam sind, begrenzt ihren Einfluss auf die globale KI-Governance erheblich. Für diese Länder besteht die Herausforderung darin, die richtigen Investitionen zu tätigen, um ihre Position in der globalen KI-Landschaft zu stärken und ihre Abhängigkeit von Importen zu reduzieren. Diese Region könnte durch eine stärkere internationale Zusammenarbeit oder durch eigene Innovationsstrategien versuchen, ihre Position zu verbessern. Es bleibt jedoch die Frage, ob diese Länder in der Lage sein werden, den Sprung in den „Compute North“ zu schaffen oder ob sie weiterhin als reine Konsumenten von KI-Innovationen bleiben werden.

Compute Desert: Der blinde Fleck der KI-Governance

Noch prekärer ist die Situation der Länder, die in der „Compute Desert“ liegen. Diese Länder, hauptsächlich in Afrika, dem Nahen Osten und Teilen Südasiens, haben keinerlei Zugang zu Public-Cloud-AI-Compute-Infrastrukturen. Sie sind völlig auf externe Anbieter angewiesen, was nicht nur ihre technologische Entwicklung, sondern auch ihre digitale Souveränität stark einschränkt. Ein Großteil dieser Länder zählt zu den ökonomisch schwächeren Staaten, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um eigene Compute-Infrastrukturen aufzubauen. Dies macht sie zu reinen Konsumenten globaler KI-Technologien, ohne die Möglichkeit, diese Technologien zu regulieren oder anzupassen. Die Abhängigkeit von externen, oft westlichen Anbietern könnte langfristig zur Verstärkung globaler Ungleichheiten und zur Marginalisierung dieser Länder in der digitalen Wirtschaft führen.

Die Zukunft der Compute-Governance: Perspektiven und Herausforderungen

Die geopolitische Bedeutung der Compute-Verteilung kann nicht unterschätzt werden. Die Konzentration der KI-Compute-Infrastruktur in wenigen Ländern und Regionen könnte dazu führen, dass diese Staaten die globalen Standards für die KI-Entwicklung und -Einsatz bestimmen. Doch es gibt auch Anzeichen für eine Veränderung. Europäische Initiativen wie der LUMI-Supercomputer, der in Finnland aufgestellt wird und auf AMD-Chips statt auf den marktführenden Nvidia-GPUs setzt, könnten neue Akzente setzen. Diese Art von Projekten zeigt, dass auch andere Regionen in der Lage sind, in die Compute-Landschaft vorzudringen und ihre Position zu verbessern.

Gleichzeitig haben Länder wie Japan, Großbritannien und die Niederlande eine Strategie verfolgt, um lokal fortschrittlichere GPU-Infrastrukturen bereitzustellen. Diese Länder setzen zunehmend auf „digitale Souveränität“, um ihre Abhängigkeit von den USA zu reduzieren und gleichzeitig lokale Entwickler zu unterstützen. Ein solcher Ansatz könnte andere Länder inspirieren, ebenfalls in ihre eigene Compute-Infrastruktur zu investieren, um ihre technologische Souveränität zu bewahren.

Fazit: Compute North vs. Compute South

Die Aufteilung der Welt in „Compute North“, „Compute South“ und „Compute Desert“ ist nicht nur eine Frage der Technologie, sondern auch der globalen Machtverhältnisse. Wer die Compute-Infrastruktur kontrolliert, kontrolliert auch die zukünftige Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Die gegenwärtigen geopolitischen Entwicklungen lassen vermuten, dass Compute-Governance zu einem zentralen Element der globalen Politik werden wird. Neue Investitionen, insbesondere in national geförderte Compute-Kapazitäten und die Entwicklung alternativer Technologien, könnten langfristig die bestehenden Machtverhältnisse verschieben. Die Herausforderung besteht darin, eine gerechtere Verteilung der Compute-Ressourcen zu fördern und sicherzustellen, dass alle Länder die Möglichkeit haben, an der KI-Revolution teilzuhaben, ohne in eine dauerhafte Abhängigkeit zu geraten.

#AI #Geopolitik #ComputeGovernance #DigitaleSouveränität #KünstlicheIntelligenz

SocArXiv, Studien-Paper-PDF

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