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Benjamin Eidam: Interne KI-Benchmarks sind das beste Mittel gegen FOMO

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Gastbeitrag von Benjamin Eidam: Interne KI-Benchmarks reduzieren das Grundrauschen und die daraus entstehende Unruhe im Umfeld von KI-Hype- bzw. Boom – insbesondere die FOMO („Fear of Missing Out“), also die Angst, etwas Wichtiges oder Aufregendes zu verpassen. Wer klare Kennzahlen für Produktivität, Qualität und Kosten definiert, erkennt auf einen Blick, wann eine neue Lösung echten Mehrwert liefert – und wann nicht. Diese Transparenz verhindert hektisches Tool-Hopping, senkt den Entscheidungsdruck und konzentriert Ressourcen auf das, was tatsächlich wirkt.

In diesem Artikel zeige ich, wie das gelingt.

Benjamin Eidam: Interne KI-Benchmarks

Die richtigen KI-Benchmarks können Sorgen in ruhige Gewissheit verwandeln.

1.    Hype trifft Realität

  • Reizüberflutung im KI-Jahr 2025

Stündlich werden hunderte neue Tools veröffentlicht, wöchentlich gibt es Updates an den großen KI-Systemen von OpenAI, Anthropic usw. Ununterbrochen wird in großen Neon-Lettern von Systemen gesprochen, die jetzt alles und jeden automatisieren, um relevant zu bleiben. Eine Sau nach der anderen wird durchs Dorf getrieben und von außen steht man ratlos daneben. In der Praxis zeigen Marktstudien jedoch, dass 63 % der Großunternehmen zuerst interne Anwendungsfälle prüfen, bevor eine öffentliche Einführung erwogen wird. Dem “Hype-Druck” wird stoische Umsetzung entgegnet. Und das vollkommen zu Recht.

  • Nebenwirkungen ungefilterter Adoption

Eine Upwork-Umfrage ergab, dass knapp 80 % der Beschäftigten zusätzliche Arbeitslast durch generative KI erleben, weil Ergebnisse nachkorrigiert oder neue Oberflächen erlernt werden müssen. Selbst bei einem bestmöglichen und besonnenen Einsatz hat man also dennoch die Probleme, dass die Geschwindigkeit zu hoch ist für die Erfahrungen, die man bereits hat.

  • FOMO als Kostentreiber

Schnellschüsse treiben Lizenz-, Integrations- und Schulungskosten, ohne die versprochene Effizienz zu liefern. Interne Benchmarks schaffen einen objektiven Filter und dämpfen den Hype-Impuls.

Heißt: Die Situation im Jahr 2025 ist geprägt von einer kaum noch zu überblickenden Flut an neuen KI-Werkzeugen, Funktionen und Versprechungen. Während von außen der Eindruck entsteht, sofort handeln zu müssen, setzen viele Unternehmen bewusst und so gut sie können, auf Besonnenheit und systematische Prüfung interner Anwendungsfälle. Das soll nicht nur vor teuren Fehlentscheidungen schützen, sondern auch unnötige Belastungen der Mitarbeitenden verhindern, die oft mit zusätzlicher Arbeit durch unausgereifte KI-Einführungen konfrontiert sind. Interne Benchmarks bieten hier eine perfekte Ergänzung zum Mindset, nicht pauschal auf jeden Trend aufspringen zu müssen, als praktisches Werkzeug um Prioritäten zu setzen und den tatsächlichen Mehrwert neuer Technologien objektiv zu bewerten, statt dem kurzfristigen Hype nachzugeben.

2.    Warum Benchmarks entlasten

  • Benchmark statt Bauchgefühl

In einer klaren Metrik-Matrix (z. B. Antwortqualität, Durchlaufzeit, Fehlerrate, GPU-Kosten) ersetzt ein neues Tool nur dann den bestehenden Workflow, wenn es die definierten Schwellen signifikant überbietet. Das macht Entscheidungen nachvollziehbar und reversibel – und nimmt das Gefühl des “Gehetzt seins” zumindest in diesem Punkt aus dem Arbeitsalltag.

  • Vermeidung von Tool-Hopping


Ohne Messlatte wird jedes Feature-Update als potenzieller „Game Changer“ wahrgenommen. Datenbasierte Vergleiche zeigen schnell, ob ein Modell tatsächlich besser skaliert oder nur anders klingt. Gartner-Analysten weisen darauf hin, dass der Großteil der Produktivitätsziele verfehlt wird, weil Evaluationskriterien fehlen.

  • Schutz vor Paralyse

Feste Evaluationszyklen (beispielsweise vierteljährliche Re-Runs auf identischen Daten) verhindern endlose Grundsatzdebatten. Solange ein Kandidat die Schwelle nicht überschreitet, bleibt der Status quo in Kraft – ganz ohne Angst, etwas zu verpassen.

  • Fokus auf Wirkung

Wer Metriken kontinuierlich verfolgt, sieht, an welcher Stelle ein Modell wirklich Zeit spart oder Qualität hebt. Der Blick verschiebt sich von der Geschwindigkeit des Wandels auf den messbaren Effekt.

Heißt: Der Einsatz klar definierter Benchmarks ersetzt unsichere Bauchentscheidungen durch objektive, überprüfbare Kriterien. So wird sichergestellt, dass neue Tools nicht aus reiner Neugier oder vermeintlichem Hype-Druck eingeführt werden, sondern weil sie tatsächlich messbare Vorteile bieten. Das vermeidet ständige Systemwechsel ohne echten Mehrwert und schützt vor hektischen Schnellschüssen. Regelmäßige, datenbasierte Überprüfungen schaffen Verlässlichkeit und geben Orientierung in einem Markt, der sich ständig verändert. Im Mittelpunkt stehen nicht Geschwindigkeit und Neuheit, sondern spürbare Verbesserungen in Qualität, Effizienz und Kosten.

3.    Bausteine eines belastbaren Benchmark-Frameworks

  1. Use-Case-Scharfschaltung

Benchmarks müssen die Realität des Zielprozesses abbilden. Ein Kunden-Chatbot wird z. B. eher an Erstlösungsrate und Eskalationsquote gemessen, als an synthetischen Multiple-Choice-Tests.

  1. Repräsentative Datensätze


Eigene Ticket-Logs, Domänen-Dokumente oder Code-Basen spiegeln Randfälle, die in öffentlichen Wettbewerben fehlen. Auch die großen KI-Player selbst gehen in diese Richtung und kommen der Wirtschaft diesbezüglich entgegen. Doch da jedes Unternehmen einzigartig ist, braucht jedes Unternehmen auch eigene Benchmarks.

  1. Einheitliche Metriken

Präzision, Kosten pro Vorgang, Laufzeit und regulatorische Anforderungen werden einheitlich gemessen. So bleibt der Vergleich über Modell-Generationen hinweg stabil. Die Definition, abteilungsübergreifendes Verständnis auf diese und konsequente Weiterentwicklung sind absolut zentral für den Erfolg der ganzen Unternehmung. Dieser Schritt ist so herausfordernd wie missionskritisch und braucht den entsprechenden Fokus.

  1. Automatisierte Pipeline


Ein Skript führt Modelle nacheinander auf denselben Daten aus, speichert Scores und visualisiert Abweichungen. Die Ausführung sollte reproduzierbar sein, um Ergebnis-Diskussionen abzukürzen.

  1. Ampellogik für Entscheidungen

Ein neuer Kandidat kommt erst in Produktion, wenn er die definierte Grünschwelle (z. B. +5 % Genauigkeit und −10 % Kosten) erreicht. Erscheint er nur gelb, folgt erneut Finetuning oder Verwerfung. Auch technisch tiefere Fragen wie die Wahl geeigneter Metriken – etwa pass@k (zum Beispiel pass@10: in 10 Versuchen mindestens einmal erfolgreich) oder pass^k (zum Beispiel pass^10: in 10 Versuchen jedes Mal erfolgreich) – spielen genau hier eine Rolle, um die Zuverlässigkeit eines Modells objektiv zu bewerten. (Das ist ein komplexes Thema und wird hier nur angerissen. Mehr dazu findet sich hier oder in meinem Buch.)

Eine einfache, farbkodierte Entscheidungslogik kann bei der Wahl des passenden Benchmarks helfen.

Heißt: Ein strukturierter Benchmark-Prozess verbindet technische Präzision mit geschäftlicher Relevanz. Die Bewertung orientiert sich an realen Zielprozessen und firmenspezifischen Anforderungen statt an abstrakten Standardtests. Eigene, repräsentative Daten bilden dabei die Basis, um tatsächliche Stärken und Schwächen eines Modells sichtbar zu machen. Einheitliche Metriken sorgen für Vergleichbarkeit über Zeit und Abteilungen hinweg, während eine automatisierte Test-Pipeline Ergebnisse reproduzierbar macht und Diskussionen verkürzt. Die Ampellogik gibt klare Entscheidungssicherheit: Nur Modelle, die die definierten Verbesserungsziele messbar erreichen, werden eingeführt – alles andere bleibt im Erprobungsstatus. So wird der Fokus von bloßen Features auf nachweisbare Wirkung gelenkt.

4. Weitere, beachtenswerte Punkte

Dieses Thema ist sehr komplex, entwickelt sich in Echtzeit in vielen verschiedenen Dimensionen und hat sehr viele Facetten. Daher nach der oben ausgeführten Basis hier noch ein paar Ergänzungen, über die es sich nachzudenken lohnt, für die wir hier aber keinen Platz haben, da dies sonst das Thema sprengt:

  1. Stolperfallen und Lösungen

Damit KI-Tests nicht einfach von der zu testenden KI auswendig gelernt werden, sollten die Fragen regelmäßig ausgetauscht werden. Es reicht zudem oft nicht, nur auf eine einzige Zahl zu schauen – verschiedene Werte wie Genauigkeit, Kosten und Geschwindigkeit müssen zusammen betrachtet werden. Unternehmens-öffentliche Übersichten machen sichtbar, warum welches Tool gewählt wird. Der Aufbau eines solchen Systems kostet zwar Zeit, lohnt sich aber, weil es für langfristig gute Ergebnisse sorgt.

  1. Schritt-für-Schritt-Plan

Zuerst wird festgelegt, was wichtig ist (z. B. Bearbeitungszeit oder Kosten). Dann werden echte, anonymisierte Beispiele gesammelt. Der aktuelle Stand wird gemessen. Neue Lösungen werden getestet und die Ergebnisse klar gezeigt. Nur wer wirklich besser ist, kommt in den nächsten Schritt.

  1. Vorteile für die Organisation
    Die Entscheidungen werden ruhiger und sachlicher, weil sie auf echten Zahlen basieren und nicht auf Trends. Zeit und Geld fließen in das, was wirklich hilft. Alle im Team sehen klar, warum ein neues Tool eingeführt wird. Statt gehetzt ist man nun sicher, ruhig und souverän im Angesicht des KI-Sturms. Eine bessere Position kann man aktuell kaum haben.

Fazit Benjamin Eidam – KI-Benchmarks

Interne Benchmarks fungieren als Stoßdämpfer im schnellen KI-Takt. Sie filtern Lärm, entzaubern Marketing-Superlative und machen Fortschritt messbar. Wo klare Grenzwerte existieren, entsteht Ruhe: Kein Team muss jedem Trend hinterherlaufen; stattdessen entscheidet die Scorecard. So wird die Organisation zum Gestalter statt zum Getriebenen des technologischen Wandels.

Benjamin Eidam, 30.7.2025

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Das Buch kann über Springer Gabler, den Online-Buchhandel sowie auf den Webseiten des Autors benjamineidam.com bezogen bzw. vorbestellt werden,

Zum Autor Benjamin Eidam:

Benjamin Eidam ist KI-Berater, Dozent, sowie gefragter Keynote-Speaker. Er beschäftigt sich bereits seit 2010 mit angewandter KI und unterstützt Führungskräften und Unternehmen dabei, ihre Prozesse durch intelligente Systeme zu transformieren. Eidam ist Autor des Buchs „Der KI-Schlüssel für Unternehmen – Ihr Zugang zu Künstlicher Intelligenz: nachhaltig, profitabel und sicher“.

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